Mittwoch, 20. August 2008

Tag 24 - Zwischenbericht + Artikel

Durch verschiedene durchaus themenbezogene Ereignisse, die mit in die künftige Arbeit einfliessen werden gab es eine Menge Hintergrundarbeit zu erledigen. Ab heute kann nun eine umfangreiche Serie gepostet und verschickt werden, je nachdem wies eben zeitlich läuft.

Pre-realease: Justizpolitische Situation NRW - Filesharing
Erneut muß sich die Justizpolitik des Landes Nordrhein-Westfalen den Vorwurf gefallen lassen eine Chance in der Gestaltung einer zukunftsfähigen Strategie in Bezug auf die Behandlung von Straftaten im Internet verpaßt zu haben. Der Kardinalfehler datiert zurück in den Juni 2oo8: Anstatt auf Basis des sehr eindeutigen Beschlußes der JustizministerInnenkonferenz in Celle agierend ein tragfähiges Konzept zu entwicklen preschte politisch unklug die Justizministerin NRW, Roswitha Müller-Piepenkötter mit einem typischen "Freitag, der 13te"-Produkt vor. Einstige eigene Vorbehalte bezüglich der in Celle beschlossenen Aufforderung an den Bund für einen zivilrechtlichen Auskunftsanspruch von Rechteinhabern [RI] bei Internetstraftaten im Urheberrechtsbereich waren gewichen. Seltsamerweise den bereits installierten und schlicht fortgeschriebenen Richtervorbehalt der zum 01. September 2008 greifenden Neufassung des §97 UrhG ignorierend [Zitat: "Die Sicherheit der Daten vor einem Missbrauch durch private Anfrager könnte sogar durch einen Richtervorbehalt, bei dem die Rechteinhaberschaft und das berechtigte Interesse an der Auskunft geprüft werden, besser geschützt werden als im gegenwärtigen Verfahren"] erlaubt Sie sich als Verantwortliche ein äußersts interessantes Eingeständniss, das sich letztlich mit meinem Beobachtungen deckt, wobei allerdings die Frage zu stellen ist weshalb es in all den Jahren nicht gelungen ist Verwaltungsvorschriften zur Prüfung des berechtigten Interesses vorzulegen und man nichts selbst gegen die offensichtlichsten Mißbräuche unternommen hat. Weitaus problematischer für den Verlauf der Angelegenheit ist jedoch dieses Zitat: "Wer dagegen Privaten den Zugriff auf solche Daten tatsächlich verweigern will, müsste konsequenterweise auch den Anspruch der Rechteinhaber auf Einsicht in die Ermittlungsakten untersagen. Das würde aber bedeuten, den Urheberrechtsschutz in diesem Bereich vollständig abzuschaffen. Ich kann mir nicht vorstellen, dass dies von rechtsstaatlich denkenden Menschen gewollt ist." Das durch die Ministerin gewählte Mittel der Öffentlichkeit eine laufende Diskussion in den Generalstaatsanwaltschaftsbezirken unter ihrer Führung auf diesem propagandistischen und nicht sehr erhellendem Niveau dar zu bringen ist schon gar keine Art in die Vorgänge um die STA Wuppertal [Ermittlungsverfahren gegen Behördenleiter], die Verwendung von Steuergeldern für "Hilfsdienstleistungen" an die RIs, staatsanwaltschaftliche Kapitulation im organisatorischen Bereich, usw., eine klare politische Position einzubringen. Noch weniger war die Nichtinformation geeignet der Sensationspresse NRW den auffrischenden Wind aus den Segeln zu nehmen. Kaum Verwunderlich: Seit der Pressemitteilung schweigt die Justizministerin zum Thema.
Nach vielerlei Gerüchten und entsprechendem medialen Flurschaden wurde nun zu Beginn des Augusts 2008 von berufenen Mündern versucht den Bürgern in NRW zu erklären was eine nicht ganz vollständige Abschaffung des Urheberrechtsschutz, geplant von rechtsstaatlich denkenden Menschen bedeutet: "Die Staatsanwaltschaften [in NRW] verfolgen seit Mitte Juli nur noch Raubkopierer oder Nutzer von Tauschbörsen, die mindestens 3000 Audiodateien oder 200 Filmdateien illegal aus dem Netz geladen haben". [Ulrich Hermanski, Pressesprecher Justizminterium NRW] Hernach bemühten sich Praktier, vornehmlich der Sprecher der STA Köln, der vorzügliche Oberstaatsanwalt Axel Stahl die Absurdität des Gesagten zu mindern: „Wir richten unser Augenmerk nämlich auch darauf, was angeboten wird. Handelt es sich beispielsweise um einen vollständigen Kinofilm und womöglich sogar um einen, der in Deutschland noch gar nicht gestartet ist? Sollte dies der Fall sein, kann man einen Verstoß im gewerblichen Ausmaß auch deutlich unterhalb der Schwellenwerte feststellen, die ich eben geschildert habe.“ Nahezu rekordverdächtige fünf Tage später zeigte sich das die STA-Rohrpost in Köln doch noch nicht ganz Abmahnungsverstopft ist: „Gar keinen Spaß verstehen die Strafverfolger schließlich, wenn es um die Verbreitung von Filmen mit pornografischem Inhalt geht. Solche illegal im Netz angebotenen Streifen besitzen meistens keine Altersverifikation. In solchen Fällen, so Oberstaatsanwalt Stahl, gesellt sich zur Verletzung des Urheberrechts noch eine Verletzung des Jugendschutzes. Und dann treten die Staatsanwälte zwischen Rhein und Ruhr bereits in Aktion, wenn es sich um 100 Filmdateien oder -clips handelt.“ Vielleicht fehlte das Thema Jugendschutz bei der SZ auch einfach, weil die Leser dort für schlauer gehalten werden müssen. Der Vollständigkeit halber sei erwähnt, das
- 100 Filmdateien zwischen 70Gigabyte [.avi] und 1,43Gigabyte [.rar] -100 bis 1 Film schon einen sehr großen Spielraum darstellen, hingegen 100 Clips [300MB] ins juristendeutsch übersetzt den §"schon der Versuch ist strafbar" darstellen ... können ... sollen ....
- die durchaus moderne Meinung von Oberstaatsanwalt Axel Stahl über „jugendtypisches Verhalten“ gepaart mit der vorgetragenen "3000-Audio-Datei-Grenze + pre-realese-Kriterium" nebst fiktiver Anlehnung an Länder wie Baden-Württemberg der Rechtsmeinung des dortigen Justizministers des Landes Baden-Würtemmberg, Ulrich Goll eher nicht entspricht: "Der Spaß hört auf, wenn nicht nur einige wenige Kopien im Freundeskreis, sondern innerhalb kürzester Zeit hunderte Lieder und Filme von unbekannten Personen über Internetbörsen getauscht werden" ["Häufig seien die Behörden Kindern auf der Spur gewesen, die den elterlichen PC nutzen, so begründet der Sprecher der Kölner Generalstaatsanwaltschaft, Franz-Heinrich Pohl, das Umdenken".] Irgendwann wird man sich sicher einig.

Das alles ist nicht das Besondere an der momentanen Entwicklung. Auch nicht etwa das die Aussagen von „beschlossenen [bundesweiten] Leitlinien“ bis „Empfehlungen der Generalstaatsanwaltschaften an Ermittler“ [= Fortschreibung des Ermitteln nach Gutdünkens ohne Verwaltungsrichtlinien] reichen und allein durch dieses Lavieren die politische Initiative der BundesJustizminister im Sande verlaufen ist. [Man sollte dem Massengedanken hier nicht zu sehr Rechnung tragen. Dem Recht ist es egal, ob 10Tsde oder 5 Fälle in „rechtlich umstrittenen“ Zonen abgewickelt werden.] Das Besondere liegt in diesem Zitat von Oberstaatsanwalt Axel Stahl: „Allerdings ist es so – und auch da bewegen wir uns in einer sich zunehmend herauskristallisierenden bundeseinheitlichen Regelung.“ Auch da, womit wir wieder beim Eingang wären: „Die Justizministerinnen und Justizminister appellieren an den Bundesgesetzgeber, den zivilrechtlichen Schutz des Urheberrechts so auszugestalten, dass zivilrechtliche Abwehr- und Ersatzansprüche vom Rechteinhaber auf dem dafür vorgesehenen Weg effektiv durchgesetzt werden können. Hierzu ist insbesondere die Einräumung ausreichender zivilrechtlicher Auskunftsansprüche gegenüber den Internet-Service-Providern erforderlich. Die Justizministerinnen und Justizminister bitten die Bundesregierung, entsprechende Gesetzesvorschläge vorzulegen.“ Was sich genau nach einer im Sand verlaufenen politischen Initiative der JustizministerInnen, nach einer allein 2008 bereits zweifachen Novellierung des UrhG, die beide in „Fachkreisen“ als extremst unzulänglich besprochen werden, mit einer eher nicht mehr kommenden dritten Novellierung in Richtung Mitte 2009 sich noch bundeseinheitlicher herauskristallisieren soll als das bereits Festgestellte wird aufgrund der Konzeptionslosigkeit und der nicht erfolgten Vereinheitlichung von unterschiedlichen Parteipositionen durch die Vorgänge in NRW nicht klarer.

Wohl dem der diesen Text mit einem Zitat zusammenfassen kann: "Gerade im Bereich des Filesharings, der uns zu ersticken drohte, hat uns der Gesetzgeber im Regen stehen lassen." Immerhin hat sich nun herauskristallisiert, das wenigstens auf den Regen auch künftig Verlaß sein wird.

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